4. April 2018
von Carls Schreiberin
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Sei einfach du selbst. So ein Satz, der mir immer mal wieder über den Weg läuft. Immerhin ist Authentizität eine zeitgenössische Tugend. Sogar der Werbung verzeiht man zur Not, dass sie Werbung ist, wenn sie nur authentisch zu sein scheint.
Sei einfach du selbst. Klar. Kein Ding. Pipileicht. Nichts einfacher als das, sage ich.
Und dann fällt mir ein, wie viele Tage, Wochen, Monate, Jahre ich gebraucht habe, um annähernd herauszufinden, wer das eigentlich sein soll. Diese ICH SELBST. In unzähligen Tagebucheinträgen sezierte ich diese ICH SELBST.
Das Problem fängt damit an, dass es unmöglich ist, das eigene Innere mit Abstand zu betrachten. Nein, ich meine natürlich nicht die inneren Organe. Sondern den Charakter, das Wesen, die Seele oder was auch immer dafür verantwortlich ist, dass ich ich bin. Wir können das Innere nicht mit Abstand in einem Spiegel betrachten, weil wir nun mal keine Poppels sind. Poppels? Na, Sie wissen schon, diese Stofftiere, deren Inneres man nach außen wenden kann. Ja, stimmt, aus den 80er-Jahren, als es auch Wendepullis und -jacken gab.
Ich bin froh, dass ich meine sezierenden Selbstbetrachtungen als Kind der 80er in einer Jugend der 90er zelebrieren konnte, als es noch kein Facebook, Twitter, Instagram gab. Sonst hätte ich meine ICH-Suche sehr wahrscheinlich in aller Öffentlichkeit durchgeführt. Auch auf Facebook, Twitter, Instagram kann man nicht unmittelbar den Charakter, das Wesen, die Seele darstellen. Aber man kann das eigene Leben wie einen Poppel umkrempeln. Das Innere nach Außen. Guck, mein Urlaub, mein Zuhause, mein Essen, mein Drink. Guck, das bin ich. Das ist meine Meinung. Das mag ich. So bin ich. So absolut wahnsinnig authentisch, dass es fast schon weh tut.
Ja, man muss es zeigen. Muss es dauernd weiterentwickeln, dieses ICH SELBST. Gucken, ob es noch genug Likes kriegt.
Und dann gibt es immer auch Menschen, die meinen, dass sie uns besser kennen als wir selbst. Menschen, die sagen: Das bist doch gar nicht du. Du bist irgendwie nicht du selbst gerade. Ach wirklich? Schmarrn! Wer soll ich denn sein, wenn ich gerade nicht ich bin?! Weiterlesen →